#52 Spätsommer-Gedanken

Heute ist bei mir hier ein eher verregneter Tag. Doch inzwischen mag ich auch diese Tage. Sie fühlen sich an, wie eine Verschnaufpause. Eine Pause, in der die Natur wieder Kraft tanken kann und eine Pause für uns Menschen vom impulsiven, sommerlichen Treiben, damit auch wir wieder Kraft tanken können, anstatt sinnbildlich draußen in der Sonne herumzutollen. Genau dazu lädt uns ja der Sommer ein. Es ist lange hell, wir sind oft viel länger, als zu anderen Jahreszeiten, unterwegs, kommen erst später am Tag zur Ruhe. Die Regentage fordern uns dazu auf, wieder einmal langsamer zu werden, durchzuatmen und auszuruhen. 

Ach ich liebe den Sommer. Schon immer. In meinen Kindertagen habe ich die schönsten Sommer meines Lebens erlebt. So weit ich zurückdenken kann, sind meine Eltern mit mir jedes Jahr an die Ostsee nach Zingst in den Urlaub gefahren. Das war definitiv die schönste Zeit des Jahres. Möwengeschrei, Wellenrauschen, Kleckerburgen, Muscheln sammeln. Ich konnte Stunden damit verbringen, im flachen Wasser über heranrollende Wellen zu springen, mit meiner Tauchermaske so lange zu schnorcheln, bis die Haut in meinem Gesicht vom Gummi wund gescheuert war, mich auf meine Luftmatratze zu legen und von den Wellen schaukeln zu lassen, mit meinen Eltern Ball zu spielen, mich am Strand einzubuddeln, mir mit Stöcken und Decken einen Unterschlupf zu bauen. 

Foto: Heinz Brunck

Im kleinen Ort Barth, in dem wir unsere Unterkunft hatten, gab es die leckersten Brötchen, die ich je gegessen habe. Nie wieder bis heute habe ich derart köstlich schmeckende Brötchen entdecken können. Die hatten wir immer in einer Kühltasche am Strand dabei.

Das einzig Furchtbare war immer, wenn es hieß, ich soll Mittagsschlaf halten. Das habe ich als Strafe empfunden. Wer wollte denn bitte so einen wunderbaren Tag verschlafen? Unter Protest legte ich mich also jeden Tag (zumindest als ich noch kleiner war) in den Schatten auf die Luftmatratze in unserem Sichtschutz, protestierte auch noch lautstark im Liegen und schwuppdiwupp ….. schlief ich dann meist sofort ein.

Fotos: Heinz Brunck

Nach diesen aufregenden Strandtagen sind wir am Abend dann immer in Barth im Restaurant essen gegangen. Es erinnerte eher an Mitropa-Gastronomie (Wer kennt’s noch?), doch für mich war es großartig. Es gab dort einige Essen zur Auswahl, die man sich auf sein Tablett laden konnte. Für mich jedoch waren den ganzen Urlaub lang nur zwei interessant. Milchreis oder Hamburger Schnitzel. Das war die einzige Wahl, die ich täglich treffen musste. Und manchmal gab es zum Nachtisch auf dem Weg zurück in unsere Unterkunft noch ein Eis. Was soll ich sagen, auch dieses Eis war für mich einzigartig, denn in ganz Ludwigsfelde und Potsdam (meine damaligen Wohnorte) gab es nichts Vergleichbares.

Unsere Unterkunft war sehr spartanisch. Das war für mich das einzige Manko. Ein altes kleines Fachwerkhaus. Darin lebte eine herzallerliebste alte Dame, die rührend um uns bemüht war. Doch es roch überall alt und muffig. Die Toilette war ein Holz-Klo im Außenbereich. Gruselig für mich. Ich weiß noch, ich sah in das Loch im Holzbrett, auf das ich mich setzen sollte, und entdeckte ganz viele Kellerasseln. Meine Vorstellung war natürlich, dass sie mich ankrabbeln, sobald ich mich setzte. Also sorgte ich dafür, dass ich sehr schnell mit meinen Toiletten-Geschäften fertig war. Größere Geschäftchen erlaubte ich mir nicht. Zu groß war die Angst vor den Käfern. Also verkniff ich sie mir so lange, bis ich Bauchschmerzen bekam. Naja und abends hatten wir eine große Schüssel und Wasserkanne aus Keramik für die Körperkultur. Ich wurde mit eisig kaltem Wasser abgewaschen. Das war extrem unangenehm. Doch im Nachgang hab ich mich immer sehr erfrischt gefühlt. Dann einkuscheln im muffigen Bett und im Radio kam immer noch „Der Mond“, der die Gute-Nacht-Geschichte erzählte. Danach schlief ich meist selig und völlig erschöpft ein.

Fotos: Heinz Brunck

Nach unserem Urlaub machten wir auf dem Rückweg immer noch für ein paar Tage Halt bei meinen Großeltern in Mecklenburg auf dem Land. Einen schöneren „Spielplatz“ konnte ich mir in meinen Kindertagen nicht vorstellen. Es war ein richtiger Abenteuerspielplatz mit schier unendlichen Möglichkeiten. Die Phantasie kannte hier keine Grenzen. Erlebnisse als Ronja Räubertochter, Pippi Langstrumpf und Schatzsucher waren an der Tagesordnung. Es gab kurze, heftige Sommergewitter und danach schien wieder die Sonne, meine Cousine und ich sprangen barfuß in die vom Regen hinterlassenen Pfützen auf den Feldwegen. Alles war so unbeschwert und wir unfassbar ausgelassen. Selbst, als ich größer wurde.

Irgendwann fuhren wir dann nicht mehr an die Ostsee. Doch ich verbrachte die Sommer entweder bei meinen Großeltern auf dem Land oder bei meiner Tante im Garten. Oder ich fuhr mit meinen Freundinnen zu Hause mit dem Fahrrad in geflutete Kiesgruben zum baden. Ich fühlte mich frei, unbeschwert und voller Leichtigkeit. Heute weiß ich, genau das war ein Leben im Hier und Jetzt. Ich war zu einhundert Prozent präsent im Moment, habe jede einzelne Minute ausgekostet.

Je erwachsener ich geworden bin, ging mir diese Leichtigkeit immer mehr verloren. Erst recht, als ich dann Mutter wurde. Schließlich hatte ich jetzt Verantwortung. Hier ist der Spaß vorbei, so hatte ich es gelernt. Ich erlaubte mir einfach keine Leichtigkeit mehr, verband damit mehr und mehr Nachlässigkeit. Was für ein fataler Fehler. Rückblickend war ich dann jeden einzelnen Sommer damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass meine Kinder so viel Spaß wie möglich hatten. Doch mich hat das extrem ausgezehrt und erschöpft. Ich war gefangen im Funktionieren und Verantwortung tragen, im „stark“ sein, konnte nicht genießen. Erst heute wird mir bewusst, was ich da meinen Kindern vorgelebt habe. Dass, sobald sie erwachsen sind, das Leben ernst und schwer wird, dass wir unsere Bürden zu (er)tragen haben. Das macht mich furchtbar traurig.

Doch es ist nie zu spät. Auch wenn meine Kinder schon groß sind, sie beobachten mich auch heute noch. Und heute führe ich ein ganz anderes Leben. Heute sage ich ihnen: „Vergesst einen großen Teil von dem, was ich euch damals erzählt habe. Probiert euch aus, genießt jeden Tag, das Leben will gespielt werden!“.

Vor zwei Wochen war ich mit meinem ältesten Sohn an der Ostsee. Wir hatten ein wunderschönes Mutter-Sohn-Wochenende. Nur wir zwei. Er hatte sich gewünscht, ganz viel aus meinem Leben zu erfahren vor der Zeit, als er geboren war. Für mich war es so schön, wieder in diese alten Zeiten einzutauchen. Als wir am Strand waren und ich meine Füße ins Wasser gesteckt habe, waren wie mit einem Fingerschnipp all die alten Erinnerungen und Gefühle aus meiner Kindheit wieder da. Ich erzählte und mein Sohn lauschte gebannt meinen Worten. Wir hatten eine phantastische Zeit.

Das Jahr 2023 war bisher für mich ein absolutes Transformations-Jahr. Mein Denken, meine Einstellungen und mein Leben haben sich komplett verändert. Ich liebe das so sehr. Dadurch ist natürlich meine Sicht auf mich, auf mein Umfeld und auf die Welt eine ganz andere geworden. Ich setze komplett andere Prioritäten und beginne, mein Leben wieder in vollen Zügen zu genießen.

Fotos: Britta Thiele, Sonnenkind-Zeit Coaching

Dieser Sommer war für mich fast so schön, wie in Kindertagen. Ich habe mich nach all den Jahren wieder erfüllt, frei und leicht gefühlt. Und ich habe wirklich jeden einzelnen Tag genossen. Die guten genauso, wie die schweren Tage. Ich konnte alles da sein lassen, habe Emotionen gefühlt, so intensiv, wie noch nie. Liebe, Dankbarkeit, Glück und Leichtigkeit genauso wie Traurigkeit, Schwere und Wut. Alles durfte einfach sein. Ich habe gelernt, dass jedes Gefühl seine Berechtigung hat und mir etwas sagen will. Es ist die Art meines Körpers, mit mir zu kommunizieren. Wenn ich Emotionen unterdrücke oder einfach wegschiebe, mich ablenke, missachte ich das, was mein Körper mir sagen will. Jedes Gefühl möchte gefühlt werden, um dann abfließen zu können. Und ich war eine Meisterin darin, Emotionen wegzuschieben und zu deckeln. Ich musste und wollte immer „stark“ sein. Das ist jetzt vorbei.

Dadurch ist dieser Sommer für mich der schönste seit sehr vielen Jahren. Ich war so viel in der Natur, wie schon sehr lange nicht mehr. Wir waren so oft wie nie mit unserem Wohnwagen unterwegs. Und die Saison ist noch nicht zu Ende. Derzeit kündigt sich ein wunderschöner Spätsommer an. Ich habe die bunten Farben des Sommers, der Schmetterlinge, das Summen der Bienen und Hummeln, das für mich so entspannende Geräusch von Kleinflugzeugen am Himmel, Sonnenauf- und Sonnenuntergangsspaziergänge, arbeiten in der Natur, Wasser auf meiner Haut, das Zirpen der Grillen und den Gesang der Vögel in mir verankert. Habe jeden Sonnenstrahl getankt. Genauso, wie Ronja Räubertochter es einst so schön beschrieben hat. Ich habe den Sommer aufgesaugt und in jeder Zelle meines Körpers gespeichert, um im Winter und in der dunklen Zeit davon zehren zu können. Bis zum nächsten Sommer.

Foto: Britta Thiele, Sonnenkind-Zeit Coaching

All das ist ein Leben im Hier und Jetzt. Eigentlich gar nichts Großartiges. Und doch tun wir uns oft so schwer damit. Dabei könnte das Leben jeden Tag zu Ende sein. Niemand weiß, wie lange wir auf diesem wunderschönen Planeten verweilen dürfen. Das Leben ist so viel größer als das, was wir gelernt haben, daraus zu machen. Das für mich zu erkennen, war mein Quantensprung. Next Level sozusagen. Und ich bin so dankbar, dass ich 2016 begonnen habe, meinen persönlichen Entwicklungsweg gegen alle Widerstände zu gehen. Mit der Erkenntnis, dass wir niemals damit fertig sind. Transformation und Veränderung begleiten uns ein Leben lang. Stillstand ist wie Tod, nur früher. Das ganze Leben ist Entwicklung und Veränderung. Und das ist gut so! Machst Du mit?

Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du diesen wundervollen Spätsommer so richtig genießen kannst. Mach’s Dir schön, gönne Dir Zeit für Dich und sammle so viele Marmeladenglasmomente, wie Du kannst. Alles Liebe für Dich. 🥰

Be happy & enjoy Life ❤️,

Deine Britta. 🌻

Foto: Britta Thiele, Sonnenkind-Zeit Coaching

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